Man lernt nie aus – dies gilt besonders für das moderne Handwerk. Immer kürzer werdende Zyklen technischer Innovation und die stetige Entwicklung neuer Produkte sorgen dafür, dass handwerkliche Aufgaben zunehmend an Komplexität gewinnen. Um auf aktuellem Stand zu bleiben und dauerhaft den Arbeitsanforderungen zu entsprechen, müssen Handwerkerinnen und Handwerker sich daher kontinuierlich weiterbilden und flexibler werden. Um hier zu unterstützen, gibt es heute eine Vielzahl interessanter Startups und Forschungsprojekte, die das Potenzial digitaler, Virtual und Augmented Reality gestützter Lerntools untersuchen und vorantreiben.
craftguide – Ein interaktives Lernportal im Handwerk
Während Virtual Reality eine komplett künstliche, simulierte Realität bezeichnet, beschreibt Augmented Reality eine computerunterstützte Darstellung der realen Welt, die durch die Einblendung von virtuellen, visuellen Zusatzinformationen in Echtzeit erweitert wird.
Das 2017 von Schreiner Theo Strauß und Industriedesigner Johannes Nies gegründete bayerische Startup craftguide macht sich diese modernen Techniken zunutze, um ein gewerkeübergreifendes interaktives Lernportal und Wissensnetzwerk aufzubauen, das mittels Video-Tutorials und anderen digitalen Tools wie 3D-Modellen Handwerkerwissen und Fertigungsmethoden vermittelt. In einem ersten Pilotprojekt können Auszubildende beispielsweise mithilfe einer VR-Brille in eine virtuelle Welt eintauchen und hier die Bedienung einer Formatkreissäge erlernen. Dabei werden die Nutzer durch die verschiedenen Arbeitsschritte geführt, mit Zusatzinformationen versorgt und vor möglichen Gefahren gewarnt. Um eine akkurate virtuelle Reproduktion der in den Tutorials verwendeten Maschinen zu gewährleisten, arbeitet craftguide mit Original-CAD-Daten der Hersteller zusammen.
Ziel des Ganzen soll nicht das Ersetzen physischer Kurse vor Ort sein, sondern vielmehr die Erleichterung eigenständigen Lernens in Ergänzung dazu sowie das Ermöglichen eines fließenden Übergangs zwischen handwerklicher Theorie und Praxis. Weiterführend soll daraus eine Wissensplattform entstehen, die es vermag, sowohl Akteure aus der Ausbildung und den Betrieben als auch aus der Industrie miteinander zu vernetzen. Dazu gehört außerdem, dass Betriebe mithilfe des Tools eigene Tutorials für ihre Betriebe erstellen können – eine spannende Aufgabe, derer wir uns bald auch bei Crafty annehmen werden.
„ARSul“ – Sanitär-Heizung-Klima mit Augmented Reality
Auch die Forschung hat längst das Potenzial digitaler Tools für die Aus- und Weiterbildung im Handwerk entdeckt. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und unterstützt von Partnern wie dem industriellen Kooperationspartner Vaillant, arbeitet ein Forschungsteam der Hochschule Ruhr West innerhalb des Projektes „ARSul“ an Methoden für AR gestütztes Lernen im SHK-Bereich. Ihr Fokus liegt dabei insbesondere auf dem Aspekt des lebenslangen Lernens.
Was ist damit genau gemeint? Mithilfe digitaler Tools ist es möglich, auch ältere und körperlich weniger belastbare Handwerker mit großem Erfahrungswissen weiter in die Aus- und Weiterbildung sowie die handwerkliche Praxis einzubinden. Ist beispielsweise eine Heizungsanlage beim Kunden zu reparieren, handelt es sich nicht selten um ältere Modelle, mit denen jüngere Mitarbeiter nicht mehr vertraut sind. Mit Blick durch eine AR-Brille könnten sie in solchen Fällen ihr Blickfeld erfassen und das Bild an erfahrene Kollegen übertragen. Diese können ihnen dann Hilfestellung geben und bei Bedarf Hinweise passend ins Sichtfeld der Brille einblenden, ohne dass sie sich selbst vor Ort befinden.
Der Augmented-Reality-Lernassistent PAUL*A
Einen Schritt weiter geht das Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung in einem gemeinsamen Projekt mit Entwicklungspartner RADIUSMEDIA augment it: Mit PAUL*A entwickeln sie aktuell einen virtuellen persönlichen Assistenten und Lernbegleiter für Auszubildende, der als Hologramm direkt in den realen Raum projiziert wird und dort den Auszubildenden Rat und Hilfestellung leistet. Gerade für größere Ausbildungsbetriebe könnte dies in Zukunft eine willkommene Unterstützung darstellen, um ihren Azubis rund um die Uhr auf ihrem Weg zur Seite zu stehen.