Nachhaltig bauen mit recyceltem Bauschutt

29 April, 2020
29 April, 2020 Robert Knoll

Nachhaltig bauen mit recyceltem Bauschutt

Um Baumaterialien wie Beton, Mauersteine oder Putz herzustellen, werden große Mengen an Kies, Gesteinen und Bausand benötigt. Wie es auch bei anderen Rohstoffen wie beispielsweise Erdöl oder seltenen Metallen der Fall ist, sind Sand und Kies endlich und werden bereits heute in einigen Ländern knapp. So neigen sich die Ressourcen aufgrund der hohen Nachfrage auch in deutschen Steinbrüchen langsam, aber sicher dem Ende. Auf lange Sicht muss dieser Verbrauch zurückgehen. Neue Materialien müssen gefunden oder alte wiederverwertet werden. Bauschutt könnte eine der Antworten auf dieses Problem sein.

54 Millionen Tonnen Bauschutt

Jährlich werden unzählige Gebäude abgerissen, wodurch jeweils etwa 54 Millionen Tonnen Bauschutt entstehen. Dieser wird in der Regel komplett entsorgt, lediglich 5 Prozent werden nach heutiger Praxis recycelt. Bereitet man Bauschutt auf, zum Beispiel mithilfe mechanischer Methoden, entstehen rund fünf Millionen Tonnen sogenannter Feinfraktionen. Das sind Schuttteile, die kleiner sind als zwei Millimeter. Die Reste setzen sich dabei aus unterschiedlichsten Bestandteilen zusammen. Dies macht die Weiterverarbeitung von Schutt zu einer höchst komplexen Aufgabe und ist einer der Gründe, weswegen er bis heute in der Regel direkt entsorgt wird. Der Schlüssel zur Wiederverwendung von Bauschutt liegt also in einer genauen und effektiven Sortierung der Einzelbestandteile.

Mit dem Ziel eine Methode zu entwickeln, mithilfe derer einzelne mineralische Baustoffe aus Abbruchmaterialien herausgefiltert werden können, taten sich Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Bauphysik (IBP), für Materialfluss und Logistik (IML), für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) im Rahmen des Projektes „BauCycle“ zusammen. Tatsächlich gelang es der Gruppe eine Recyclingstrategie zu entwickeln, um über die Wiederverwendung von Baustellenabfall Primärrohstoffe einzusparen und damit nachhaltigeres Bauen voranzutreiben. Für ihr Projekt wurden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.) in der Kategorie „Forschung“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet.

Der Schlüssel zum Erfolg Effektive Sortierung

Das Projekt lässt sich im Wesentlichen in zwei Bestandteile untergliedern. Ein Teil der Forschungsgruppe beschäftigte sich damit, die effektivste Methode für die Sortierung des Bauschutts zu entwickeln. Dafür konzipierten sie ein Verfahren zur optischen Sortierung, mit dem die Hauptbestandteile Beton, Ziegel, Kalksandstein und Gips zielgerichtet und sauber voneinander getrennt werden können. Die Unterscheidung gelingt dabei anhand der unterschiedlichen mineralischen Zusammensetzung des Bauschutts, die mittels Hyperspektralkamera festgestellt wird.

Der andere Teil der Forschergruppe erarbeitete außerdem Rezepturen, dank derer Rohstoffe wie Sand zu etwa einem Drittel durch aus dem Bauschutt gewonnenes feinkörniges Material ersetzt werden können. Auch zementfreie Baustoffe lassen sich mit ihrem Verfahren aus den Baustellenabfällen herzustellen. Ein weiterer wichtiger Schritt für nachhaltiges Bauen, da bei der weltweiten Produktion von Zement ca. sechs Prozent des Treibhausgases freigesetzt werden! Mit ihrem innovativen Verfahren gelang es ihnen außerdem sogar speziellere Produkte wie Akustikputz für Innenanwendungen, mit einem Recyclinganteil von über 50 Prozent, herzustellen. Alle im Rahmen des Projektes „BauCycle“ hergestellten Produkte mussten sich dabei einer strengen Nachhaltigkeitsbewertung unterziehen.

Eine neue Marktplattform für nachhaltiges Handwerk

Projekte wie „BauCycle“ zeigen, wie durch kluge Verwertung scheinbarer Abfälle wichtige Rohstoffe geschont und Kohlenstoffproduktion eingespart werden können, ohne dass dabei auf Qualität im Bau verzichtet werden muss oder unnötig hohe Preise anfallen. Damit diese Erkenntnisse künftig auch praktisch auf unseren Baustellen Verwendung finden, beschäftigt sich die Forschergruppe der Fraunhofer-Institute nun ergänzend mit der Entwicklung einer Marktplattform, auf der wiederverwendbare Materialien über die Vernetzung von Rohstofflieferanten mit Recyclingbetrieben gehandelt werden können.