Bayerische Handwerkstradition in der Moderne – Lola Paltingers Couture-Dirndl

20 September, 2019
20 September, 2019 Robert Knoll

Bayerische Handwerkstradition in der Moderne – Lola Paltingers Couture-Dirndl

Für unsere Künstler-Serie trafen wir die renommierte Trachtendesignerin Lola Paltinger, die mit ihren extravaganten maßgeschneiderten Couture-Dirndln die Münchner Wiesn-Zelte zum Funkeln bringt:

München ist Ihre Wahlheimat, ursprünglich kommen Sie aus Mannheim – Wie kommt eine Mannheimerin zum Dirndl?

Nach meinem Abitur bin ich direkt nach München gezogen, um auf der ESMOD Modeschule zu studieren. Wenn man hier lebt, kommt man zwangsläufig mit Tracht in Berührung – ob man will oder nicht. Tatsächlich fand ich Tracht aber schon von Anfang an schön und vor allem die Stickereien und die Stoffzusammenstellungen immer sehr interessant und inspirierend. Letztlich habe ich mich dann noch während der Modeschule in das Thema eingearbeitet und als Abschlussarbeit dann sogar eine Trachtenkollektion gemacht.

Erschwerte der Fakt, dass Sie nicht in der bayerischen Tradition aufgewachsen sind, den Zugang zum Dirndl? Oder fiel es Ihnen so leichter, sich an den Gegenstand heranzuwagen?

Ich glaube schon, dass es mir das am Anfang leichter gemacht hat, weil ich wesentlich unvoreingenommener an die Sache rangehen konnte als jemand, der mit Tracht hier aufwächst und das Ganze sehr traditionell sieht.

In Ihren eigenen Worten, wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Da ist natürlich grundsätzlich die Inspiration Tracht, aber auch fast zu gleichen Teilen die aktuelle Mode. Gerade was die Stoffe und Farben angeht, orientiere ich mich sehr an dem was modisch im Trend liegt, und lasse es anschließend in das Trachtendesign miteinfließen. Und zum Schluss kommt immer noch meine persönliche Handschrift dazu, wie ich selbst die Tracht interpretieren würde und wie ich sie sehe.

Foto: Darren Jacklin

Ihre Mutter ist gelernte Couture-Schneiderin – hatten Sie selbst von klein auf Nadel und Faden in der Hand?

Durch den Beruf meiner Mutter kam ich zuhause automatisch mit dem Thema in Berührung: Mit besonderen Stoffen, überall lagen Modemagazine herum. Aber ich würde nicht sagen, dass ich daran übermäßig interessiert war oder besonders viel selbst genäht hätte. Natürlich entstand das ein oder andere Puppenkleidchen aus den Stoffresten meiner Mutter. Aber ich habe mich da nicht wahnsinnig reingearbeitet. Ich würde nicht einmal sagen, dass ich selbst ein unglaubliches Geschick im Nähen hätte. Vor allem jetzt, da ich seit vielen Jahren eine eigene Schneiderei in Nürnberg habe, merke ich, dass mir die Routine etwas fehlt und mir die Dinge nicht mehr so schnell von der Hand gehen.

Wie viel Arbeit steckt denn in so einem Dirndl – vom ersten Entwurf bis zum letzten Fitting an einer Kundin.

Wenn ich eine neue Kollektion entwerfe, dann dauert es im Schnitt ein Dreiviertel-Jahr bis alle neuen Schnitte fertig sind, inklusive der Stoffe und Borten, die extra für mich angefertigt werden. Wird anschließend aus dieser Kollektion ein bestimmtes Dirndl für eine Kundin maßgefertigt, so dauert es bei normaler Besetzung im Schnitt zwei bis drei Wochen. Zur Wiesn-Zeit habe ich aber so viele Leute in meiner Schneiderei, dass wir innerhalb von 24 Stunden ein Kleid anfertigen können. Da wird wirklich Hand in Hand gearbeitet! Eine kümmert sich um den Rock, die Nächste um den Unterrock, die Dritte fertigt das Mieder an. Am Ende werden alle Einzelteile zusammengesetzt. Dazu sind wir Gott sei Dank in der Lage!

Was inspiriert Sie zu Ihren Kollektionen?

Eigentlich sammle ich unentwegt Ideen: Wenn ich irgendwo etwas Inspirierendes sehe, lege ich mir das über das ganze Jahr hinweg in einem bestimmten Ordner ab. Das kann auch nur ein kleines Detail sein, wie beispielsweise eine Naht oder eine besondere Verarbeitung. Außerdem sind alte Trachten-Bücher für mich ganz wichtig. Und natürlich die aktuelle Mode. Also auf der einen Seite traditionell historisch, aber auch der Alltag und das ganz Moderne.

Nachhaltigkeit – Auch in der Mode ein immer wichtigeres Thema, sowohl was die verwendeten Materialien angeht als auch die Produktion, bis hin zum Vertrieb. Welche Rolle spielt das bei Ihnen?

Foto: Mila Pairan

Natürlich beschäftigt mich Nachhaltigkeit, es sollte heutzutage jeden beschäftigen. Gerade wenn mit Textilien gearbeitet wird, bei denen die verwendeten Materialien oftmals leider nicht so nachhaltig sind. Selbstverständlich könnte ich bei meiner Mode auf nachhaltige Materialien setzen – das hätte dann allerdings eine ganz andere Aussage als das, was ich im Moment mache.

Jedoch finde ich, dass man zu Nachhaltigkeit auch sehr beiträgt, indem man zum Beispiel in Deutschland und Europa produziert. Sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Transportwege betreffend. Meine gesamte Stoffauswahl kommt deswegen aus Frankreich und Italien. Sie werden außerdem nur in kleinen Mengen hergestellt. Dies ist für mich zwar sehr teuer. Dadurch bleibt am Ende aber auch nicht viel übrig, sodass ich nicht hinterher containerweise übriggebliebene Stoffe oder Kleider vernichten muss.

Zum Schluss, die unvermeidbare Frage 😉 Was sind denn die Trends 2019 – in Ihrer Kollektion und auf der Wiesn?

In erster Linie designe ich Mode, die mir gefällt. Dennoch versuche ich prinzipiell alles anzubieten. Meine Kunden sollen selbst wählen können, was sie als Trend sehen und was nicht! Insgesamt herrscht schon länger die Tendenz zurück zu traditionelleren Dirndln, ein etwas längerer Saum, ein Unterrock, vielleicht sogar ein hochgeschlossener Ausschnitt. Aber was sich tatsächlich als allgemeiner Trend herausstellt, sieht man erst so richtig auf der Wiesn. Das finde ich dann immer ganz interessant, weil ich als Trachtenherstellerin auf alles vorbereitet sein, alles anbieten und schnell reagieren muss.

Weitere Einblicke in Lola Paltingers Trachtenwelte gibt’s auf Instagram und Facebook.

Servus und viel Spaß auf der Wiesn! Eure Crafties.